„Solidarity with Refugees – the good life for all“
Am 28. Februar findet eine von Asylsuchenden überregional organisierte und mobilisierte antirassistische Demonstration in Dresden statt. Diese unterstützen wir mit aller Kraft. Die Situation der Refugees und deren Forderungen sollen dabei im Mittelpunkt stehen.
Menschen fliehen vor Hunger, Krankheit, Krieg, Verfolgung, Armut und Tod. Oder kurz: Sie sind auf der Suche nach einem besseren, menschenwürdigeren Leben. Wer hat das Recht ihnen das zu verwehren? Europa und Deutschland führen Krieg und verbreiten Elend in der ganzen Welt. Waffenexporte sind nur ein Ausdruck der zynischen Machtpolitik des globalen Nordens. Um Hilfesuchende von westlichem Reichtum und Privilegien auszuschließen, wird Europa durch Mauern, Zäune, Hochtechnologie und der paramilitärischen Behörde Frontex abgeschirmt. Nach einem, nicht selten Jahre dauerndem Martyrium der Flucht, wartet nicht das gelobte Land. Nein, es warten überfüllte Auffanglager, Knäste, struktureller und alltäglicher Rassismus bis hin zu Mord.
„We are here because you destroy our countries.“ (Karawane für die Rechte der Geflüchteten und MigrantInnen)
Ökonomische Interessen gehen Hand in Hand mit menschenverachtenden Einstellungen. Wer nicht als „Fachkraft“ nach Deutschland eingeladen wurde, wird durch die restriktive Asylgesetzgebung hierzulande schikaniert. Diese Praxis ist eine Fortsetzung der kolonialen und postkolonialen Herrschaft Europas über den „globalen Süden“. Die Peripherie des Kapitalismus ist seit jeher einer stetigen Landnahme unterworfen, durch die natürliche Ressourcen, billige Arbeitskräfte und neue Märkte in den Verwertungsprozess des Kapitals einverleibt werden. Der globale Eroberungszug des Kapitalismus wird dabei mit Gewalt, Terror und ökonomischem Zwang durchgesetzt. Bis heute werden Menschen aus ihren Häusern vertrieben, um den Raubbau an der Natur fortzuführen. Zur Sicherung von Verkehrswegen, Rohstoffzugang und zur Fluchtabwehr selbst, unterstützen und finanzieren europäische Regierungen autoritäre Regime, welche die gelieferten Waffen und Technologien gegen ihre Bevölkerungen wenden. Vorrangig in den großen Industrienationen verursachte Klimakatastrophen werden nach Schätzungen der UN bis zur Mitte des Jahrhunderts 200 Millionen Menschen zur Flucht veranlassen. Diese wenigen Beispiele zeigen ganz deutlich, dass die Verheerungen des globalisierten Kapitalismus die häufigsten Fluchtgründe sind. Im alltäglichen Desaster sind die weltweiten illegalisierten Flucht- und Migrationsbewegungen eine oft subversive Praxis im Streben nach dem guten Leben, die die Herrschaftsverhältnisse des globalen Kapitalismus durchdringt und in Frage stellt. Natürlich ist uns bewusst, dass diese Praxis, wie so oft, aus den genannten Zwängen heraus entsteht. Wir müssen gemeinsam ein globales politisches Bewusstsein für diese Praxen schaffen. Darum solidarisieren wir uns ausdrücklich mit allen, die auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben ihr Land verlassen.
Welcome to Germany?
Wer es trotz Dublin- und Schengenabkommen bis nach Deutschland schaffen sollte, wird nicht mit offenen Armen empfangen. Im Gegenteil. Dank der faktischen Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl kann von Seiten der Asylgegner*innen, von CDU bis hin zu bekennenden (Neo-)Nazis, unverhohlen in vermeintlich gute „Kriegs-“ und schlechte „Wirtschaftsflüchtlinge“ selektiert werden. Dem zu Grunde liegt die Stimmungsmache gegen Geflüchtete, die keinen „Mehrwert“ für den Standort Deutschland darstellen, aber eine angebliche Gefahr für „unsere Kultur“. Institutionalisierter Rassismus hindert, je nach Bundesland und Landkreis, die Geflüchteten zum Beispiel durch Residenzpflicht, Gutscheinsystem und Arbeitsverbot daran, ein halbwegs selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Unterbringung der Asylsuchenden in als „Problemvierteln“ gebrandmarkten Stadtgebieten, oder schlimmer noch, zentralisiert irgendwo in der ostdeutschen Einöde, ist für die Teilhabe an der Gesellschaft nicht sonderlich förderlich. Schon gar nicht ohne psychologische Betreuung, Sozialarbeit sowie qualifizierten Sprachunterricht für alle Geflüchteten.
PEGIDA und der ganz normale Rassismus
Diverse wissenschaftliche Studien attestieren der deutschen Mehrheitsgesellschaft seit Jahren ein Anwachsen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und eine fortschreitende Entsolidarisierung innerhalb der Gesellschaft. Das Entstehen PEGIDAs lässt sich nur im Kontext der aktuellen kapitalistischen Krise und ihrer autoritären und neoliberalen Verwaltung begreifen. Die beförderte Zuspitzung der sozialen Konkurrenz, der Wegfall von Solidarbeziehungen und allgemeine Verunsicherung werfen das Individuum gänzlich auf sich selbst zurück. Im Gegensatz dazu machten antisoziale Reformen Deutschland zum Krisengewinner und zur alleinigen europäischen Hegemonialmacht. PEGIDA schlägt sich in diesem Konflikt auf die Seite des Stärkeren und tritt nach allem, was die deutsche Vormachtstellung gefährden könnte. In den letzten Jahren kommt es erneut und immer häufiger zu Protesten und Anschlägen gegen Geflüchtetenunterkünfte. Die patriotischen Europäer*innen sind dabei zu einem Sammelbecken neu-rechter bis faschistischer Bewegungen und ganz normaler Rassist*innen geworden. Ihre Forderungen nach mehr und schnelleren Abschiebungen und ihre Islamfeindlichkeit sind keineswegs unterdrückte Einstellungen, sie sind hegemonial, in einer Gesellschaft, die sich seit den 90er-Jahren wieder auf die Suche nach dem nationalen „Eigenen“ gemacht hat. PEGIDA mag ein Aufstand gegen bestimmte regierende Personen sein, sie ist aber keine Auflehnung gegen die Herrschaft. Sie ist die konformistische Revolte für den kapitalistischen, patriarchalen und rassistischen Normalbetrieb und gegen emanzipatorische Veränderung. PEGIDA ist damit zutiefst reaktionär.
Die konkreten Folgen für diejenigen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Sprache etc. nicht zur nationalen (Leidens-)Gemeinschaft gezählt werden, treten in der aufgeheizten, rassistischen Stimmung immer stärker zutage. Die Anfeindungen reichen von feindseligen Blicken und verbalen Angriffen bis hin zu physischen Übergriffen auf Geflüchtete, Migrant*innen und deren Unterkünfte. Die Zahl dieser menschenverachtenden Handlungen hat sich bundesweit, mit Dresden als „Hauptstadt der Bewegung“, seit der ersten PEGIDA-Demonstration verdoppelt.
Reaktionen und Perspektiven
Was fällt den Deutschen, speziell vielen Dresdner Bürger*innen, als Antwort auf die ressentimentgeladene Hetze ein? International beachtete und zu Imagezwecken ausgeschlachtete Großevents sollen den städtischen Ruf retten, symbolische Aktionen und bunte Volksfeste sollen das eigene Gewissen beruhigen. PEGIDA ist für weite Teile der Dresdner und der deutschen Zivilgesellschaft vor allem eines: ein Imageschaden für den Standort. Anstatt die gesellschaftlichen Rassismus und Nationalismus in seiner Breite anzugreifen, übernahm beispielsweise die Stadt Dresden den Volksbegriff bei einem Konzert unter dem anfänglichen Motto „Eine Stadt, ein Land, ein Volk“. „Dresden a place to be“ und andere tauchten die Dresdener Innenstadt in buntes Licht, um Weltoffenheit zu suggerieren. Bei einem öffentlichen Gespräch auf dem Straßburger Platz wurde sogar auf Kommunikation mit PEGIDA-Anhänger*innen gesetzt. Zwei wichtige Erkenntnisse aus PEGIDA sind aber, dass Dresden eben nicht weltoffen ist und dass PEGIDA gegen Argumente immun ist. Dagegen hilft auch kein noch so symbolträchtiger Protest.
Dem geht eine falsche Analyse der Entstehungsbedingungen PEGIDAs voraus. Rassismus und im Besonderen Islamfeindlichkeit werden von öffentlicher Seite allein auf PEGIDA projiziert, welche angeblich nicht das „wahre Volk“ repräsentiere. Rassismus wird, in Anlehnung an das Extremismuskonzept, vornehmlich als Randphänomen verstanden. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um eine tief in der kapitalistischen Vergesellschaftung verankerte Ideologie, die die realen Vorgänge des globalen Kapitalismus durch den Bezug auf kulturelle oder rassische Unterschiede verklärt und damit verewigt.
Neben denen, die zumindest ein Problem mit PEGIDA haben, gibt es aber auch noch die PEGIDA-Versteher*innen in höchsten Positionen. So formulierte der Ministerpräsident Tillich, dass der Islam nicht zu Sachsen gehöre. Der sächsische Innenminister Ulbig forderte sogar eine „Soko gegen Ausländerkriminalität“. Damit dürften sich die PEGIDA-Anhänger*Innen mehr als bestätigt fühlen. PEGIDA ist für die sächsische Rechte von CDU bis AfD nur eine Legitimation, um alte rassistische Forderungen nach Leitkultur und regressiver Einwanderungspolitik erneut auf die politische Agenda zu setzen. Die CDU befindet sich in einem Wechselspiel mit PEGIDA. Die einzige Abgrenzung ist dabei die Konstruktion eines vermeintlich guten Patriotismus vs. Nationalismus. Dass es sich nur um zwei Formen des gleichen, menschenverachtenden Ausgrenzungsmechanismus handelt, soll dabei kaschiert werden.
Frank Richter, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen (SLPB), betreibt derweil eine Appeacement-Politik und stellte die Räumlichkeiten der SLPB dem Orgakreis der PEGIDA für eine Pressekonferenz zur Verfügung. Um die sächsische Troika aus Politik, Bildung und Wissenschaft komplett zu machen, darf natürlich auch der erzkonservative „Leerkörper“ Werner Patzelt in der Liste der großen PEGIDA-Buddies nicht fehlen. Er übersah gern jeglichen Rassismus bei PEGIDA, fungierte weniger als Wissenschaftler denn als Sprachrohr der Bewegung und verband deren Forderungen mit dem eigenen politischen Ziel: dem Rechtsruck in der CDU.
Konfrontiert mit diesen Verhältnissen steht die radikale Linke heute vor der Frage, wie weitermachen und wie den reaktionären Tendenzen etwas entgegensetzen. Gegen den gesellschaftlich breit angelegten Konservatismus gehen der antifaschistischen Feuerwehrpolitik die effektiven Mittel aus. Der direkte Diskurs mit den Herrschenden ist gescheitert. Das bessere Argument zählt nichts. Die Situation in Dresden zeigt dies überdeutlich. Die radikale Linke muss sich an den partikularen emanzipatorischen Kämpfen beteiligen, diese vorantreiben und Brüche mit der herrschenden Ideologie erzeugen.
Dafür gibt es selbst in Sachsen und Dresden zumindest Perspektiven. Die Stadt ist so politisiert, wie sie es seit der Wendezeit nicht mehr war. Viele Menschen erklären sich solidarisch mit Geflüchteten und wollen Unterstützung leisten. Das ist ein Hoffnungsschimmer, denn es bietet die Chance für den Aufbau solidarischer Basisstrukturen, die zu mehr fähig sind als symbolischem Protest. Für die radikale Linke gilt es, diese Selbstorganisierung zu stützen und auszuweiten, hin zu einer echten Alternative zur bestehenden Konkurrenzlogik. Diese Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Formen von Herrschaft tragen unsere Hoffnung auf eine befreite Gesellschaft in sich. Der Kampf der Refugees für gleiche Rechte ist ein bemerkenswertes Beispiel solch einer Selbstorganisierung. Deshalb rufen wir zur Beteiligung an der Demonstration am 28. Februar und zur Unterstützung der Forderungen der Geflüchteten auf. Zeigt, dass wir den rassistischen Normalzustand hier und anderswo nicht länger hinnehmen wollen und können! An diesem Tag wollen wir zusammen mit Refugees für eine solidarische Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung auf die Straße gehen. Die Forderung „Refugees welcome“ ist uns dabei nicht genug. Wenn wir das gute Leben für alle wollen, dann müssen wir uns auch fragen, in welcher Gesellschaft dieses möglich ist. Daher schließen wir uns den Forderungen der Refugees nach Selbstorganisierungen an:
· Gleiche demokratische Rechte und nicht nur gleiche Pflichten
· Keine Kriminalisierung von Flüchtlingen
· Zusammenleben aller Familienmitglieder und Verwandten
· Schnellere Bearbeitung und schnellere Bestätigung unserer Asylanträge
· Unterbringung in geeigneteren Unterkünften – Wohnungen statt Lager
· Bessere Integration durch Deutschkurse von Beginn an
· Das Recht eine Arbeit aufzunehmen von Beginn an
· Abschaffung der Residenzpflicht für alle Flüchtlinge
· Gleichbehandlung aller Flüchtlinge
· Keine Abschiebungen im Winter! Keine Abschiebegefängnisse! Keine Abschiebungen in Länder mit inhumanen Lebensbedingungen.
One struggle, one fight!