Auch in diesem Jahr wollen die Nazis wieder am 17.06. 18 Uhr vom Postplatz (Panzerkette) aus marschieren, und den Arbeiter*innenaufstand von 1953 für ihren nationalistischen Senf instrumentalisieren. Wir wollen auch dieses Jahr wieder zu wirksamen Gegenprotest und zur Verhinderung des Naziaufmarsch am 17. Juni 2013 aufrufen. Wir werden euch bezüglich geplanter Aktionen auf dem laufenden halten, also checkt im Vorfeld des 17.06. regelmäßig unseren Blog. Weitere Mobi wie Flyer, Plakate und Sticker kommen demnächst. Was am 13. Februar klappt muss auch endlich am 17. Juni und an jedem anderen Tag im Jahr klappen: keinen Fußbreit den Faschisten!
Aufruf:
Tradition? Kenn‘ wir schon! Deutschland in den Rücken fallen!
Unter dem Motto „Tradition verpflichtet: 1813 – 1953 – 2013 „Heimat bewahren – Souveränität schaffen““ werden am 17. Juni diesen Jahres, (Neo-)Nazis wieder einmal in Dresden aufmarschieren wollen, um Geschichte so hinzubiegen, dass sie in ihr Zerrbild der historischen Wirklichkeit passt.
Solch historisch besetzte Daten, welche auch von der bürgerlich-konservativen Mehrheitsgesellschaft zelebriert werden, eignen sich hervorragend um menschenverachtende Ideologeme, Geschichtsrevisionismus und so ein bisschen was von „Wir gegen Die“ in die Öffentlichkeit zu tragen. Kurz: Der rechte Rand der Gesellschaft unternimmt erneut den Versuch, mit der so genannten „Mitte“ zu kuscheln – um in der Diktion der Hero*innen des Antiextremismus zu bleiben.
What’s up?
Am 17. Juni 1953 kam es im gesamten Gebiet der ehemaligen DDR zu antistalinistischen Aufständen, welche sich sowohl gegen erhöhte Arbeits-/ Produktionsnormen und Repressionen richteten, als auch mehr demokratische Partizipation und die ausreichende Versorgung mit Gütern des täglichen Lebens forderten. Aufgrund des von deutschem Boden ausgegangenem Eroberungs- und Vernichtungskrieges, welcher acht Jahre zuvor mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands sein Ende fand, folgte 1949 dessen Teilung.Mit Beginn des sogenannten „Kalten Krieges“ Mitte der 1940’er Jahre wurden nicht nur die politischen Differenzen zwischen den Ost- und den Westalliierten größer. Auch die ökonomischen Bedingungen in den Ländern westlich und östlich des „Eisernen Vorhangs“ divergierten zunehmend, was in der DDR zur Verknappung von Lebensmitteln und anderen grundlegenden Dingen führte. Die ablehnende Haltung der DDR gegenüber dem Marshall-Plan, steigende Rüstungskosten, die Neuausrichtung des Produktionsschwerpunktes, hohe Emigrationszahlen gen Westen und fortwährende Reparationsleistungen verunmöglichten einen ausgeglichenen Haushalt und zogen Steuer- sowie Normerhöhung bei gleichzeitigen Gehalts- und Prämienkürzungen nach sich. Dies alles führte in Kombination mit Scheindemokratie und Repressionen zu großer Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung. Unzufriedenheit, welche sich am 17. Juni 1953 in eimem DDR-weiten Aufstand entlud und mit Gewalt seitens der Saatsführung sowie rigider militärischer Hilfe der sowjetischen Protektoren eingedämmt wurde.
Cui bono?
Eine objektive Betrachtung der damaligen Vorkommnisse fällt aus heutiger Sicht schwer, da die Geschichtsschreibungen, Ost wie West, als interessengeleitet betrachtet werden können. So wurden die Unruhen seitens der DDR zu einer auf Provokationen aus dem „imperialistischen Ausland“[1] beruhenden Konterrevolution umgelogen, während die Politik westlich des „Eisernen Vorhangs“ erst einmal in Ohnmacht verharrte und die Aufstände später, wenn es gerade passte, für ihre Politik instrumentalisierte. Wenn Mensch bedenkt, dass im selben Zeitraum menschenverachtende Politik gutgeheißen wurde, solang sie nur von „den Richtigen“ betrieben wurde, so kann die westdeutsche Interpretation der Aufstände (Kampf für Freiheit, Demokratie und Wiedervereinigung) nur als interessengeleitet verstanden werden. Mit Despoten wie Franco in Spanien, Salazar in Portugal und Peron in Argentinien konnten trotz Menschenrechtsverletzungen gute Geschäfte gemacht werden, während sie willige Helfer*innen im Kampf gegen den „Kommunismus“ waren. Auch der Wunsch nach Wiedervereinigung, acht Jahre nach dem Ende der deutschen Barbarei, muss kritisch betrachtet werden. Ging es den Menschen auf der Straße um die Wiedererlangung von Souveränität und Selbstbestimmung, oder doch nur um die Revision der Folgen deutscher Kriegsschuld und der Rekonvaleszenz allmachtsgetriebener Hybris? Dies wird zum Beispiel an Görlitz und dem Wunsch der Revidierung der Oder-Neiße-Grenze sichtbar[2].
Dies alles stinkt nach Scheinheiligkeit und Doppelmoral bürgerlich-konservativer „Zwangsdemokrat*innen“[3]. Scheinheiligkeit und Doppelmoral, welche in der bundesdeutschen Geschichte Kontinuität haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass Aufstände östlich des „Eisernen Vorhangs“, Aufstände für Demokratie und Freiheit waren, während Franco in Spanien, Pinochet in Chile, das Obristen-Regime in Griechenland, … die Menschenrechte mit Füßen treten durften, eben solche Aufstände im eigenen Land brutal niederschlagen konnten und doch nicht von den demokratischen Gralshüter*innen der Bundesrepublik gemaßregelt wurden? Im Gegenteil: Im Jahre 1953 wurde Antonio Salazar sowie Juan Peron gar das „Bundesverdienstkreuz für besondere Leistungen auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem, geistigem oder ehrenamtlichem Gebiet“ verliehen.
Im Kampf gegen den „Kommunismus“, oder was das ehemals Realexistierende auch immer gewesen sein soll, war eben alles erlaubt!
Für Freiheit und Demokratie, heißt es, gingen die Menschen am 17. Juni 1953 auf die Straße. Doch werden diese großen Worte im Deutschland unserer Tage auch mit Inhalt gefüllt, oder erweisen sie sich als leere Worthülsen im Kampf um die politische Deutungshoheit?
Freiheit? Wäre schon schön!
Die sich als demokratiegewordenes Musterland präsentierende BRD, hatte aber auch im Inneren mit Feinden der Demokratie zu kämpfen. Nein, nicht die mit Art. 131 GG amnestierten Beamt*innen des NS, welche mit ihrer Schreibtischarbeit Tod und Vernichtung erst ermöglichten, waren die Feinde. Auch nicht die (Alt-)Nazis, welche sich am Aufbau der westdeutschen Demokratie beteiligen durften – sei es beim Aufbau neuer Geheimdienste, der Bundeswehr, als Arbeitgeberpräsident oder schlicht als Ministerpräsidenten. Ausgemacht wurden diese Feinde am „linken Rand“ der Gesellschaft.
Müssen die Ideen und die Gesellschaftsanalysen mancher Akteur*innen als teilweise arg verkürzt und ihre Taten als oft menschenverachtend angesehen werden, so waren sie doch nie eine wirkliche Gefahr für die „Demokratie“. Die Gefahr ergab sich meist erst aus den Reaktionen von Politik und, wie sich spätestens heute herausstellt, Wissenschaft. So diente das Agieren einiger Gruppen und Einzelpersonen dazu, Grundrechte einzuschränken und Handlungsspielräume exekutiver Organe auszuweiten. Radikalenerlass und auf diesem fußende Berufsverbote, Zwangsmaßnahmen wie Beugehaft oder der inflationäre Gebrauch vom §129 StGB sollen hier nur exemplarisch für die sukzessive Erosion demokratischer Errungenschaften stehen.
Doch was heißt Freiheit, was Demokratie?
Freiheit, ein Begriff, welcher durch seine inflationäre Verwendung jeglichen Inhaltes beraubt wurde. Was bedeutet es, wenn konservative Schreihälse wie Gauck von Freiheit schwadronieren? Freiheit von Despotie und Unterdrückung? Freiheit zur individuellen Glücksfindung? Oder die Freiheit von Marktregularien und kritischen Stimmen dem Status quo gegenüber? Die Freiheit zu ökonomischem Wachstum? Wie sieht es aber zum Beispiel mit der Freiheit derer aus, die als Asylsuchende auf deutschem Boden in heruntergekommenen Löchern ihrer Abschiebung in die Ungewissheit entgegen vegetieren[4], wenn sie nicht schon vorher an den europäischen Grenzen von Frontex abgefangen wurden[5] oder im Mittelmeer jämmerlich ersoffen sind[6]? Gilt Freiheit nur für die, die ihr „Deutschsein“ bis zu Zeiten Ludwig des Frommen nachweisen können, oder auch für die, die seit hunderten von Jahren unter den Errungenschaften der „westlich-zivilisierten“ Welt leiden dürfen?
Wie frei können sich Menschen fühlen, wenn ihnen Alternativen zum bürgerlichen Leben genommen werden, wenn die kapitalistische Logik und die ihr folgende Politik alternative Lebenskonzepte zerstören[7]? Wie frei können sich Menschen entfalten, wenn sie für ihren Kampf gegen menschenverachtende Zustände und Denkweisen schwere Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte befürchten bzw. erfahren müssen[8]? Kann Mensch sich frei fühlen, wenn der öffentliche Raum fast flächendeckend überwacht wird und „Vater Staat“ immer weiter in den privaten Raum vordringt?
An den Grenzen der „westlich-zivilisierten“ Welt wird der Drang nach Freiheit denen abgesprochen, auf deren Leid „unser“ Wohlstand beruht. Ist das die Freiheit für die 1953 angeblich gekämpft wurde? Leider sind viele Menschen immer noch dem Irrglauben aufgesessen, dass sich Freiheit in vollen Supermarktregalen oder Billigflügen manifestiert. Die Freiheit Waffen und polizeiliches/militärisches Know how (auch in Krisengebiete und Unrechtsstatten) zu exportieren, besteht aber weiterhin. Zum Schutze von Herrschafts- und Besitzverhältnissen lassen „wir“ das alles über uns ergehen, machen mit: Aktiv, oder in dem wir es einfach hinnehmen.
Wer schweigt stimmt zu!
Demokratie – paradox, oder?
Beim Umgang mit den Kritiker*innen der deutschen Zustände zeigt sich, wie weit Anspruch und Wirklichkeit demokratischer Konstitution auseinanderklaffen.
Das in Deutschland als parlamentarische Demokratie verfasste politische System, eine durch alle vier Jahre stattfindende Stimmabgabe legitimierte Stellvertreter*innenpolitik, wird von den Deutungsmacht innehabenden Institutionen als die Krone systemtheoretischer Evolution angesehen und propagiert. Eben jene politische Verfasstheit, den „demokratischen Verfassungsstaat“, gilt es mit allen Mitteln zu verteidigen! Auch – oder gerade gegen? – emanzipatorische Vorstellungen menschlichen Miteinanders.
Im Kampf für die Konservierung des politisch-ökonomischen Status quo, wird auf eine Theorie rekurriert, welche die Welt lediglich in gut und böse einteilt.
Die so genannte „Extremismustheorie“ beruht auf der Vorstellung, dass die „Gute Ordnung“ lediglich von den Rändern des politischen Spektrums her gefährdet sei, sie kann komplexe gesellschaftliche Prozesse somit maximal aufzeigen, nicht aber erklären oder gar zur Behebung gesellschaftlicher Missstände beitragen[9].
Dies dichotome Weltbild im Kalten Krieg gefangener „Zwangsdemokrat*innen“, beruht auf einer konservativen und rechtspositivistischen Definition von Demokratie, wobei eben jene nicht als utopischer Prozess angesehen, sondern als erreicht betrachtet wird. Gefangen im „perversen Antikommunismus“[10] längst vergangen geglaubter Zeiten, werden alle utopischen Alternativen zur bürgerlich-konservativen Ordnung als verbrecherisch stigmatisiert und so ein emanzipatorisches Voranschreiten des menschlichen Miteinanders verunmöglicht. Schlimmer noch: Das Gegeneinander wird manifestiert. Auch wird ausgeblendet, dass nicht alle sich als „links“ verortenden Menschen Sympathisant*innen Stalins sind. Im Gegenteil! Ebenso wird übersehen, dass viele der bisherigen demokratischen Errungenschaften, auf denen sich so gern ausgeruht wird, Ergebnisse emanzipatorischer und vormals utopischer Prozesse sind, deren Akteur*innen in der Logik der wackeren Hüter*innen von Recht und Ordnung heute als „Extremist*innen“ angesehen werden müssten.
Wenn in einer sich inflationär auf Demokratie berufenden Gesellschaft kritische Stimmen dem Ist-Zustand gegenüber als „Linksextremistisch“ gebrandmarkt werden und diese so gelabelten progressiven Kräfte vom demokratischen Meinungsbildungsprozess ausgeschlossen werden, steht es nicht besonders gut um die Demokratie in eben jener Gesellschaft, oder?
Der Schutz der „Freiheitlich demokratischen Grundordnung“ vor „(Links-)extremist*innen“ und Alternativen zum Bestehenden, stellt allerdings auch ein konstitutives Paradoxon dar, oder mit Derrida: den „Geburtsfehler der Demokratie“[11]. Demnach schafft Demokratie, wenn sie als gegeben angesehen wird, sich selbst ab, indem sie versucht sich im Inneren zu stabilisieren. Kurz: Zum Schutz demokratischer Errungenschaften müssen eben jene eingeschränkt oder gleich ganz abgeschafft werden. Die „Wehrhafte Demokratie“ begeht quasi Selbstmord. Und was passiert, wenn „die Feinde“ der offenen, pluralistischen Gesellschaft vor einem Wahlsieg stehen oder diesen gar schon eingefahren haben?
In Anbetracht der Demokratiedefinition von bürgerlich-konservativer Seite, lässt sich festhalten, dass der Hauptfeind der „Guten Ordnung“ am vermeintlich „linken“ Rand des politischen Spektrums zu suchen ist, da emanzipatorische Kritiker*innen Herrschafts- und Besitzverhältnisse angreifen.
Der Versuch des Schutzes eben jener Verhältnisse erklärt das nicht enden wollende Wiederkäuen des parawissenschaftlichen „Extremismusgeblubbers“ und das damit legitimierte rigide und hochmotivierte Vorgehen gegen progressive Kräfte. Der Feind der bürgerlichen Gesellschaft steht weiterhin ausschließlich „links“. Bewusst wird hiermit der Mythos einer vermeintlichen bürgerlichen Mitte propagiert, welche sich selbst von jeglicher Verantwortung gesellschaftlicher Missstände freispricht.
Geschwister im Geiste? – Oder wie (Neo-)Nazis versuchen an den öffentlichen Diskurs anzudocken
„Das Folgenschwerste dürfte der emotionale Antikommunismus sein. Er ist die offizielle staatsbürgerliche Haltung, und in ihm haben sich ideologische Elemente des Nazismus mit denen des Westens amalgiert.“[12]
Eben dieser Antikommunismus ist es, welcher den ideologischen Brückenschlag zwischen „der bürgerlichen Mitte“ und (Neo-)Nazis ermöglicht.
Diese, aus der nazistischen Ideologie übernommene, Denkart ermöglicht es (neo-)nazistischen Kreisen, Tage wie den 17. Juni 1953 für sich positiv zu konnotieren und an den öffentlichen Diskurs anzudocken. Über den Aufstand der Arbeiter*innen wird versucht, die Verbrechen Deutschlands zu relativieren. Haben die anderen doch auch Verbrechen begangen und angeblich noch mehr Menschen auf dem Gewissen als Hitlerdeutschland, wobei der zeitliche und territoriale Rahmen beim Aufrechnen großzügig außer Acht gelassen wird. Ohne die Verbrechen des vermeintlichen Kommunismus bagatellisieren zu wollen, sind diese Aufrechnungsversuche quasi identisch mit denen, die aus der „gesellschaftlichen Mitte“ heraus versuchen, endlich einen Schlussstrich unter das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte zu ziehen.
Auch der Ruf nach Freiheit und Selbstbestimmung der Aufständischen von 1953 wird von (Neo-)Nazis immer wieder vorgebracht, wenn es darum geht, Geschichte zu relativieren und völkisch-nationalistisches Gedankengut zu verbreiten. Es bedarf keiner allzu großen Phantasie, um sich auszumalen, wer von Freiheit und Selbstbestimmung ausgeschlossen wird, wenn die, die hier von Freiheit schwadronieren bestimmen dürften, was Freiheit ist und wem diese zugestanden wird. Auch wenn großen Teilen der Mehrheitsgesellschaft das Kategorisieren von Menschen in nützlich/unnütz oder wertvoll/minderwertig nicht fremd sein dürfte, darf Menschen, aus deren ideologischer Mitte heraus der NSU entstand und welche immer noch einem Weltbild anhaften, was Menschen nach vermeintlicher Herkunft und Aussehen rassifiziert, kein öffentlicher Raum für Propaganda überlassen werden!
Die (neo-)nazistische Ideologie, egal wie sie sich gewandet, ist und bleibt tödlich für die, die als vermeintlich anders wahrgenommen werden, für die, die nicht in das eliminatorische Weltbild der (Neo-)Nazis passen!
Deshalb rufen wir alle dazu auf, diesem elendigen Spuk endlich ein Ende zu bereiten.
Schluss mit der Ungleichbehandlung von Menschen.
Schluss mit der Kriminalisierung emanzipatorischer Menschen und alternativer Lebenskonzepte!
Schluss mit Staat, Nation und Kapital!
Schluss mit allem, was die Herrschaft des Menschen über den Menschen reproduziert!
Her mit dem schönen Leben und der befreiten Gesellschaft!
Den Naziaufmarsch am 17.06. gemeinsam blockieren, sabotieren, unmöglich machen!