Besser spät als nie, unser Auswertungsartikel zum 13. Februar 2013 in Dresden:
…and they did it again!
Am vergangenen 13. Februar konnte der geplante „Trauermarsch“ des Aktionsbündnisses „Gegen das Vergessen“ aufgrund des Zusammenwirkens verschiedener Aktionsformen und Akteure erneut erfolgreich verhindert werden. So gelang es, 4000 Nazigegner_innen auf die Straße zu bringen und den Naziaufmarsch zum Desaster werden zu lassen.
Der Tag begann 12:30 Uhr am Friedrich-List-Platz, wo sich bereits mehrere hundert Menschen zum Täterspurenmahngang des Bündnisses Dresden Nazifrei einfanden, der in seinem Verlauf auf bis zu 3000 Menschen anwuchs. Im Anschluss gelang es mehrere Menschenblockaden auf und um den Sachsenplatz zu errichten, der als möglicher Startkundgebungsort der Nazis vermutet wurde. Als bekannt wurde, dass sich am Hauptbahnhof Nazis sammeln, bewegten sich zahlreiche Aktivist_innen zügig dorthin, um die Ewiggestrigen am Marschieren zu hindern. Schon am frühen Nachmittag gingen die Bullen an einigen Stellen eskalativ gegen Demonstrant_innen vor (video). Doch trotz der Verheimlichungsstrategie der Nazis und der Polizei über den Startpunkt des „Trauermarsches“ im Vorfeld, wurden schließlich 500 angereiste Nazis, von zwischenzeitlich bis zu 2000 Gegendemonstrant_innen am Hauptbahnhof festgesetzt. Im Verlauf dieser Blockade kam es zu einem Ausbruch, bei dem es 50 sichtlich gereizten Nazis gelang, den Kessel zu verlassen, auf die Budapester Straße zu ziehen und mit 50-100 weiteren „Kamerad_innen“ kurzzeitig unbehelligt von Polizei und Gegendemonstrant_innen zu marschieren. Die am Hauptbahnhof verbliebenen Nazis traten hingegen nach endlosem Ausharren frustriert und unter Schmährufen den Heimweg an. Neben dem Geschehen am Hauptbahnhof sammelten sich außerdem 200 Nazis am Haltepunkt Strehlen. Einige Klein- und auch Großgruppen versuchten, diese bereits dort zu blockieren, scheiterten aber an der massiven Polizeipräsenz. Nach nur 1,5km „Marsch“ gelang es dann einigen Gegendemonstrant_innen, einen Großteil des Lennéplatzes dicht zu machen. Unter Einsatz von Pfefferspray geleitete die Polizei die Nazis im Lauftempo an der Blockade vorbei. Aber etliche der sich in der Nähe befindlichen Antifaschist_innen strömten schnell zum Ort des Geschehens und so sahen sich die Nazis auf der Parkstraße plötzlich gekesselt. Vor und hinter ihnen auf der Parkstraße, sowie seitlich Richtung Bürgerwiese war kein Durchkommen. Stundenlang standen sich die Nasen bei eisigen Temperaturen und unter zahlreichem Schneeballbeschuss die Beine in den Bauch. Als schließlich klar wurde, dass kein Laufen bis zum Verstreichen ihrer angemeldeten Demonstrationszeit möglich sein wird, hielten sie eine absurd und krude wirkende stationäre Kundgebung mit Fackeln und Fahnen ab. Dazu wurden die Nazis abwechselnd mit wirren wütenden Reden von Udo Pastörs, Sebastian Schmidtke, und Stefan Köster sowieklassischer Musik beschallt. Dieses nach außen kaum wahrnehmbare Trauerspiel wurde massiv durch laute Musik der beiden Lautis der Blockaden und wütenden bis hämischen Parolen und Schneeballwürfen seitens der Gegendemonstrant_innen gestört. Sichtlich gereizt versuchten immer wieder einzelne Nazis das Polizeispalier zu durchbrechen, um Antifaschist_innen und Journalist_innen anzugreifen. Nach stundenlangem Rumstehen unter Beschallung und Parolen konnten die Nazis schließlich im Polizeispalier den Weg zurück zum Bahnhof antreten, nachdem eine Blockade freiwillig aufgelöst wurde. Dabei folgte ihnen noch ein Demonstrationszug, um sie auch auf ihrem Nachhauseweg nicht in Ruhe zu lassen. Neben dem Täterspurenmahngang gab es außerdem noch weitere Aktionen gegen den gängigen städtischen Gedenktaumel. So gab es vereinzelten Protest gegen das offizielle Gedenkritual der Stadt am Heidefriedhof, bei dem ein Demonstrant rabiat von Ordnungskräften abgedrängt wurde, nachdem er ein Schild mit der Aufschrift „Gedenken abschaffen“ hochgehalten hatte. Auch am Dresdner Lieblingstrauerort der Frauenkirche kam es zu Protesten. Zeitgleich zum offiziellen Gedenken 21.40 Uhr hatten sich einige Fans von Take That eingefunden, um an die Bandauflösung vor 17 Jahren zu erinnern. Als sie anfingen den Song „Back for Good“ zu singen, wurden sie von Ordnungskräften bedrängt und bepöbelt und später unter Hilfe der Polizei einer Personalienfeststellung unterzogen und abgefilmt. Außerdem wurden Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit eingeleitet.
Festzuhalten bleibt, dass ca. 4000 entschlossene Nazigegner_innen den Naziaufmarsch defacto zum Desaster gemacht haben. Zwei große Gruppen von Nazis wurden am Hauptbahnhof und in Nähe des Lennéplatzes stundenlang festgesetzt und am Laufen gehindert. Zudem sahen sich diese ebenfalls über Stunden Schneeballwürfen, sowie Schmäh- und Hassparolen ausgesetzt. Laut Internetrecherchen beklagen die Nazis 38 Verletzte, sowie eine eingeschlagene Scheibe ihres Lautsprecherwagens. Die ersten Nazireaktionen zum 13. Februar 2013 waren z.B.: „2014 dieser Veranstaltung fern zu bleiben, und anders kreativ zu werden“. Auch fordern prompt einige Nazis die Organisation wieder der JLO zu überlassen. Wie dem auch sei, das Geheule über den wiederholt, durch antifaschistischen Widerstand, missglückten Naziaufmarsch ist groß. Die Mobilisierung der Nazis erreichte erneut nicht den gewünschten Erfolg und es kamen mit 800 wieder weniger Nazis nach Dresden, woraufhin wieder Strategiewechsel seitens der Nazis diskutiert werden, wie etwa mehrere Veranstaltungen in verschiedenen Städten zum Thema Dresden, durchzuführen. Doch auch ihre Minikundgebungen in anderen Städten, wie bspw. in Celle dieses Jahres, werden auf antifaschistische Gegenwehr stoßen. Mit Aktionen wie dem Täterspurenmahngang und den erwähnten Protesten am Heidefriedhof und der Frauenkirche konnten auch Kritikanstöße gegen das städtische Gedenken gesetzt werden. Wir möchten uns deshalb noch einmal bei allen Aktivist_innen bedanken, die sich den Nazis und dem Opfermythos entgegengestellt haben. Ein Besonderer Dank geht auch an den EA, den Ticker, den Infopunkt, die Vokü, die Schutz-Menschen, die Sanis, Coloradio und all diejenigen die sich außerdem an der Organisierung zu den Gegenprotesten beteiligt haben. Solidarität mit den kritischen Take That Fans und den 5 Menschen die in Gewahrsam genommen wurden. Solidarität auch mit allen, die sich an antifaschistischen Aktionen der letzten Jahren beteiligt haben und denjenigen, die immer noch Verfahren am Laufen haben. Die staatliche Repression der vergangenen Jahre sowie der Versuch des Landes Sachsen, Antifaschismus zu diffamieren und zu kriminalisieren, wird uns nicht abhalten gegen Opfermythen, Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Ausgrenzungsmechanismen zu intervenieren, egal in welcher Stadt.
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