Am Sonntag, den 17. Juni, demonstrierten Freie Kräfte und NPD gemeinsam in Dresden. Anlass war der Jahrestag des Arbeiter_innenaufstandes am 17. Juni 1953. Bevor sich die Nazis an ihrem Startkundgebungsplatz, dem Panzerkettenmahnmal auf dem Postplatz, versammelten, hielt die Stadt an selber Stelle eine offizielle Erinnerungsveranstaltung ab. Nach der Kritik linker Strukturen am gemeinsamen unkommentierten Gedenken von Stadt und Nazis, reagierte der Oberbürgermeister Lehmann auf den daraus entstandenen öffentlichen Druck, sich von den Nazis zu distanzieren. Dabei beließ er es allerdings, den Tag nicht von Extremisten Instrumentalisieren lassen zu wollen. Durch diese schwammige Formulierung bleibt eine klare Stellungnahme zu den Nazis bislang aus, dies ist Angesichts der Extremismusdoktrin kein Zufall.
Das Bündnis1706 hatte mehrere Protestkundgebungen am Postplatz sowie der Freiberger Straße angemeldet. Zudem gab es eine Demonstration, die vom Bahnhof Neustadt in Richtung Freiberger Straße zog. Zu den Kundgebungen fanden sich erschreckend wenige Menschen ein (ca. 70), wir können nur mutmaßen, dass dies das Ergebnis von langem Feiern auf der BRN ist. Dafür haben wir nur tiefes Unverständnis übrig, da Nazis an keinem Tag im Jahr einfach die Straße überlassen werden sollte. Zudem ist die enorm kommerzialisierte (B)RN mit all ihren unangenehmen Begleiterscheinungen, ein äußerst schlechter Grund, darauf zu verzichten, sich den Nazis in den Weg zu stellen.
An der von uns beworbenen Gegendemo nahmen immerhin 200 Menschen teil. Bereits zu Beginn dieser, versuchte die anwesende Polizei Vorkontrollen durchzuführen, da sie damit nur mäßig Erfolg hatte, unterzog sie schließlich zwei Personen einer Ausführlichen Kontrolle und Identitätsfeststellung. Auf Grund dessen verzögerte sich der Beginn der Demo erheblich. Erst als nach einiger Zeit diverse Demoteilnehmer_innen zu den Betroffenen kamen, wurde die Maßnahme beendet. Hier möchten wir anmerken, dass Betroffene von Repression nicht allein gelassen werden dürfen, auch in solch einer Situation nicht und es wünschenswert gewesen wäre, wenn Menschen ihre Solidarität sofort in unmittelbarer Nähe gezeigt hätten. Da es sich abzeichnete, dass die Nazis die Freiberger Straße entlang laufen würden, entschloss sich der Großteil der Demoteilnehmer_innen, sich auf der Kreuzung Freibergerstr./Herta-Lindner-Str. zu setzen um somit den potentiellen Weg der Nazis zu blockieren. Die Polizei versuchte die Blockierenden zu verunsichern, in dem sie davon sprach, der Weg für die Straßenbahnlinie 12 müsse frei gemacht und somit die Gleise verlassen werden. Tatsächlich war sich die Blockade uneins über den Umgang mit dieser Forderung, und somit wurde sich zu einer Stehblockade entschlossen, um den Weg frei zumachen, sobald eine Straßenbahn kommt. Es sollte allerdings allen Anwesenden klar geworden sein, dass sich künftig nicht mehr auf derartige Verunsicherungstaktiken einzulassen ist, denn eine Straßenbahn kam einfach nicht. Es ist somit offensichtlich, dass damit die Blockierer_innnen gespalten, die Blockade in mehrere Teile separiert und somit leichter geräumt werden sollte! Wo blockiert wird, kein Durchkommen!
Die Blockade wurde schließlich aufgegeben, als die Nazis die Marienstraße einbogen und die Demonstration drängte Richtung Sternplatz weiter. Diese entwickelte dabei eine Dynamik, die für Dresden absolut unüblich ist. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei welche zunächst versuchte, das Fronttranspi wegzuziehen, um den Fortgang der Demo zu verhindern, oder zu verlangsamen. Trotzdem die Stadt angekündigt hatte, die Naziroute im Vorfeld zu veröffentlichen blieb dies aus. Auf Grund der Desinformationspolitik , der vielen Seiten-und Nebenstraßen der Altstadt und den vielen Straßen die zum Postplatz führen, wird immer unklar bleiben, ob eine Routenänderung durch die Blockade einer Straße herbeigeführt wird, da die Nazis einfach auf eine andere Straße umgeleitet werden können, ohne das bekannt ist, welcher Weg eigentlich für sie vorgesehen war. Somit wird verunmöglicht Gegenproteste jemals als erfolgreich wahrzunehmen. Die Stadt versucht den Imageschaden abzulindern in dem sie die Nazis nicht mehr durch die Innenstadt laufen lässt, sondern ihnen abseits dieser eine kleine Route zugesteht.
Vor dem Sternplatz wurde die Demonstration schließlich gekesselt, während die Nazis an dieser vorbei zogen. Dem folgte ein Ausbruchverusch gegen eine BFE-Einheiheit in Richtung Annenstraße, bei dem einige Demoteilnehmer_innen dem Kessel entkommen konnten und eine Sitzblockade auf der Freibergerstr., in welche die Nazis nun einbogen, eröffneten, schnell aber wieder mit großer Brutalität geräumt wurden. Mit 900 Bullen, Wasserwerfern, Räumpanzern und Reiterstaffel wurde offensichtlich, dass dieses übertriebene Polizeiufgebot das Ziel hatte, die Nazis um jeden Preis laufen zu lassen. Am Tag selbst ging die Polizei aggressiv gegen Gegendemonstrant_innen vor, Pfefferspray kam mehrfach zum Einsatz, ebenso Teleskopschlagstöcke, Pferde wurden vor Blockierer_innen aufgescheucht, es wurde geschlagen, geboxt und mit Tonfas geschwungen. Auch wurde bewusst gelogen und behauptet, es wären die Kundgebungen, zu denen Protestierer_innen durchwollten, bereits aufgelöst worden, zu einem Zeitpunkt als diese noch angemeldet waren. Bemerkenswert ist, wie konsequent all diese Vorgänge von den berichtenden Lokalzeitungen übergangen wurden.
Schließlich endete der Tag wie die Jahre zuvor damit, dass im Laufschritt versucht wurde, an die Naziroute heranzukommen, was immer wieder vor Polizeiketten unter Gepöbel und Ausbuhen sein Ende fand.
Wir begrüßen die Organisierung in Bezugsgruppen für eine emanzipierte Koordination und bewerten die beobachtete Dynamik und der teilweise geglückte Ausbruchsversuch als Positiv.
Im Vorfeld wurden wir auf Grund unseres Aufrufes massiv kritisiert. Zunächst ist die Art und Weise, wie diese Kritik an uns herangetragen wurde, für uns so nicht akzeptabel. Wer sich noch immer positiv auf eine angstfreie Gesellschaft bezieht, sollte überdenken, wie bereits in der Gegenwart mit den Menschen umgegangen werden sollte, denen zumindest eine ähnliche Utopie vorschwebt (das „Ähnlich“ bezieht auf berechtigte unterschiedliche Vorstellungen von Utopien, nicht auf das „Angstfrei“) . Mit derartig gewaltvoller hierarchisierender Sprache wird einer konstruktiven Auseinandersetzung entgegen gewirkt und die menschlichen Eigenschaften, Fehler zu begehen, zu Lernen oder auch einfach nur unterschiedliche Ansichten und Perspektiven zu haben, verwischt und verurteilt. Dies entspricht einer Fressen- und Gefressenwerden-Mentalität, welche wir absolut ablehnen. Dennoch können wir sagen, dass es unserem Aufruf tatsächlich daran mangelt, auf die nationalistischen Strömungen des Aufstandes einzugehen. Daran werden wir künftig etwas ändern (Es wäre auch möglich gewesen, dies auf anderem Wege zu erwirken). Dass der Streit um bessere Lebensbedingungen auslösend und in weiten Teilen immanent für die Vorgänge am 17.06.53 waren, sehen wir nach wie vor als gegeben. Auch eine Heroisierung der Aufständischen war nicht in unserem Sinne und ist dem Aufruf auch nicht zu entnehmen. Wir weisen Gleichsetzungen mit Nazis und andere Verleumdungen entschieden zurück.
Abschließend ist zu sagen, dass die geringe Anzahl der Nazigegner_innen enttäuschend ist, aber der Druck derer, die auf der Straße waren, ist durchaus ermutigend. Dank geht raus an die, welche unterstützten. Zusammen können wir mehr erreichen! Auf Lokalpolitiker, die nichts zur Organisierung der Proteste beitragen, die Existenz einer Blockade aber nutzen, um sich aufzuspielen, verzichten wir!